[:de]Im Rahmen von The Power of Powerlessness war im HAU gestern Abend Tell Me Love Is Real von und mit Zachary Oberzan zu sehen. Ein vordergründig klassisches One Man Bühnenstück, und doch viel mehr als das. Es ist ein multimediales Puzzle, basiert auf Videoschnipseln, garniert mit akustischer Gitarre und führt uns auf eine Reise durch die Vergangenheit bis ins Hier und Heute. Zachary tritt in einer Fülle von Outfits auf, sowohl in den Clips als auch auf der Bühne. Manchmal kommuniziert er, kniend vorm Publikum, mit seinem aufgezeichneten Alter Ego auf der Leinwand hinter sich. Ganz grandios am Telefon, als beide Ichs miteinander sprechen, stottern und manchmal schweigen. Gesprochen wird übrigens durchgehend auf englisch.
Zachary Oberzan erscheint zu Beginn als Whitney Houston, die am selben Tag wie er selbst eine Überdosis Xanax nahm. Dieses Anti-Depressionsmittel wird erst in Verbindung mit Alkohol gefährlich, und die großen Schlucke aus einer Tasse legen diese Gefahr sehr plastisch nahe, auch wenn sie niemals direkt angesprochen wird. Im Hintergrund des Bildes sieht man die Pillenschachteln und eine Flasche Whiskey, all dies zeigt das Dilemma und die mögliche Wirkung deutlich an. Im Gegensatz zu Whitney Houston überlebte Oberzan seinen OD Versuch, und dieses Stück ist aus dieser Erfahrung heraus entstanden.
Doch was bleibt, wenn der Tod nicht wie erwartet eintritt?
Was macht das Leben dennoch lebenswert?
Annäherungen als Überlebensstrategie, Gedanken über Werte, Leben und Tod bestimmen das Stück. Bonmots über Paul Simon, der nach dem weltweiten Erfolg von Bridge Over Troubled Water, gemeinsam mit Art Garfunkel, erst über die musikalische Reduktion seiner Stücke aus seiner Depression fand. Und zwar von einer zufällig gefundenen Kassette mit südafrikanischer Musik angeregt, deren Rhythmus wiederum an 50er Jahre Rock N´Roll von Buddy Holly erinnert. Immer wieder erscheinen Fotos mit gelb schwarzen Motiven. Ambulanzen, U-Bahnhöfe, Plastiktüten, Bruce Lees Kampfanzug. Auch er starb früh, wenn auch nicht mit 27 wie Jimi Hendrix, Kurt Cobain, Jim Morrison und eine lange Liste weiterer Weltstars, vor allem Musiker darunter. Mit Ende 30 hat Zachary Oberzan diesen möglichen frühen heroischen Tod verpasst, und seine Antwort auf das Weiterleben ist die Liebe.
Seine Version der Liebe ist zutiefst romantisch, keineswegs vulgär wie das ebenso gezeigte Video des französischen Fernsehens, als Serge Gainsbourg besoffen und unverblümt vor laufenden Kameras Whitney Houston I want to fuck her an den Kopf wirft. Oberzan ist differenziert, überlegt und manchmal traurig, und bei all diesen Regungen völlig überzeugend. Dies ist mehr als ein Bühnenstück, dies ist das Resultat einer Überlebensstrategie, die das Publikum einbezieht. Etwa beim Karaoke von Je t´aime non plus, als das Publikum die weibliche Stimme übernimmt. Das einzige Mal übrigens in einer anderen Sprache als englisch.
Die Antwort auf das Zweifeln am Leben, die Antwort auf alle Depression heißt für Oberzan eindeutig Liebe, und am Ende, nach intensiver, niemals einen Schwachpunkt offenbarenden Show ist sein Abtreten wirklich bewegend. Man weiß nicht genau, ob es gespielt ist oder ob er wirklich kurz vorm Weinen steht. Es geht zumindest sehr nahe, wenn er ganz am Ende sagt: Ich werde Euch immer lieben!
Englisch
75 Min
Idee/ Konzept/ Regie/ Video/ Performance: Zachary Oberzan
Dramaturgie/ Produktionsleitung/ Management: Nicole Schuchardt
Licht/Sound/Video: David Lang, Harminder Judge
Bitte empfehlen Sie Berlin Kicks:[:]