[:de]Die Alternative zum See ist bei dieser Hitze ein Besuch im Martin Gropius Bau. Dort im Erdgeschoß läuft noch bis Samstag die erste große Einzelausstellung von Tino Seghal in Berlin. Es gibt keine Schlangen, kein Warten, man kann sofort in die Kühle des Museums entschwinden. Absolut empfehlenswert ist es, zunächst den großen Lichthof zu passieren und links in einen völlig abgedunkelten Raum zu gehen.
Dort ist man völlig blind und entsprechend orientierungslos, alle von draußen hereingebrachten Sinnesreizungen verschwinden. Nur das Gehör nimmt Rezitationen über die Einrichtung und kommerzielle Nutzung von Gefängnissen wahr, und zwar auf englisch. Plötzlich ist eine Person neben sich zu spüren, nicht zu sehen, die dich an der Hand nimmt und in den Raum führt.
Langsam gewöhnen sich die Augen an die Lichtverhältnisse und können Schemen erkennen, etwa 20 im Raum anwesende Personen. Irgendwann flackert kurz Licht auf, um sofort wieder in absolute Dunkelheit überzugehen. Die Rezitationen gehen in Dialoge und abrupte, sanfte und rhythmische Aufschreie über. Die Choreographie ist perfekt.
Nachdem die alltägliche Außenwelt so drastisch hinter sich gelassen wurde, kann man sich mit offenen Sinnen der langsamen Tanzperformance im grandiosen, pompösen Innenhof widmen. Ein Paar in Straßenkleidung bewegt sich extrem langsam in liebevoller Umarmung auf dem Boden, die beiden drehen sich, verschränken ihre Beine, streicheln und küssen sich, um dann langsam, sehr langsam aufzustehen, bevor sie sich in erneutem Aufeinandertreffen wieder auf dem Boden ineinander begeben. Tanzimprovisation at it´s best, sehr eindrucksvoll in der Leere dieses prunkvollen Rahmens.
Aus einem weiteren Raum dringen menschliche Laute, es klingt wie eine sakrale Beatbox. Der Rhythmus ist auf sanfte und entspannende Weise mitreißend, zischende Laute und leises Singen verschränken sich auf eine sehr berührende Weise. Der Gropius Bau verwandelt sich unter der Konzeption von Tino Seghal in eine sakrale Tempelstätte moderner Performancekunst. Der menschliche Körper und seine Ausdrucksweisen unterbrechen und strukturieren die Stille. Das ist bewegend und beinahe mystisch, eine Kunstkathedrale für den modernen Menschen, die völlig ohne Exponate auskommt. Ein wenig schade ist nur, daß die Performancekünstler, die dieses außergewöhnliche Werk unter der Konzeption Tino Seghals entstehen lassen, nirgendwo namentlich genannt werden.
Martin-Gropius-Bau Berlin
Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin
Nur noch bis 08. August
10:00 bis 19:00 Uhr
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