[:de]In der ersten Etage des Martin Gropius Baus geschehen im Moment seltsame Dinge. Menschen liegen auf schmalen, schwarzen Matratzen und lauschen mit geschlossenen Augen repetitiven elektronischen Klängen. Unter den hohen Decken des ehrwürdigen Hauses macht Musik die Zeit hörbar, die Gegenwart dehnt sich aus und Zeit wird scheinbar aufgehoben. Lou Drago lädt in diesem letzten Raum des sehr variablen Parcours der noch bis zum 5. August laufenden Ausstellung Welt ohne Außen. Immersive Spaces since the 1960s zur Meditation ein. Danach bereitet Dambi Kim den Teilnehmern der Meditation in einer rituellen, traditionellen Teezeromie einen angenehm würdigen Widereintritt in das ganz reale Zeit Raum Kontinuum.

Welt ohne Außen. Berlin Kicks.

Und das ist auch nötig, denn in dieser noch bis zum 5. August laufenden Ausstellung ist man wirklich mittendrin. Der Sog des Dabeiseins, des Mitfieberns und Mitmachens ist bestimmt für viele Museumsbesucher ungewohnt. Hier werden alle Sinne gefordert, nur mit gewohntem Abstand konsumieren ist weder erwünscht noch möglich.

Es gilt das Motto Kommen Sie für einen Tag oder bleiben Sie zwei Monate! Damit löst sich die von Thomas Oberender und Tino Sehgal kuratierte Ausstellung aus dem gewohnten Paradigma, das wir von Museen erwarten. Es gibt hier keinen vordefinierten Rundgang, keinen klaren Anfang und schon gar kein vorhersehbares Ende. Die Besucher können sogar eine Dauerkarte erwerben und wiederkommen, um an den teils mehrtägigen Workshops teilzunehmen.

Welt ohne Außen. Berlin Kicks.

Abgesehen von den ersten vier Räumen, die als Entrée Situation die historische Entwicklung immersiver Kunst aufzeigen, ist die Abfolge der insgesamt 13 grundverschiedenen Installationen in den jeweiligen Räumen um den gewaltigen Lichtschacht des Hauses frei wählbar. Man kann sich auch mehrfach diesen Sinne betörenden und manchmal auch Sinne reduzierenden Situationen aussetzen.

Welt ohne Außen. Berlin Kicks.

Alles beginnt mit der in rote Farbe getauchten, begehbaren Utopie von Lucio Fontana aus dem Jahr 1964, die unsere Wahrnehmung noch nicht besonders herausfordert. Die unbetitelte Arbeit von Doug Wheeler führt uns anschließend in einen in weißes Licht getauchten Raum, dessen Ecken und Kanten abgerundet sind und uns das Gefühl eines nebligen Vakuums vermitteln. Anschließend kommt eine Überdosis an visuellem Input. Die aus 1920 LED Lampen bestehende Light Wall von Carsten Höller, bereits aus dem Jahr 2000, ist für Herzrhythmus Geschädigte absolut nicht empfehlenswert. Selbst mit Sonnenbrille ist der Anblick wirklich anstrengend. Doch hier muss durch, wer auch den Rest der Ausstellung erfahren möchte. Die Überleitung mit drei tanzenden Performern im nächsten Raum, die den Besucher mit dem immer wieder kehrenden Refrain This is so contemporary einbeziehen, ist da wesentlich entspannter. Und schon gelangt man durch eine schwere Stahltür wieder in die zentrale Wandelhalle des Hauses.

Welt ohne Außen. Berlin Kicks.

Jetzt obliegt dem Besucher die freie Auswahl. Ob in absoluter Dunkelheit im Cosmodrome auf knirschendem schwarzen Quarzsand stehend, die Gewichtsverlagerungen der Nachbarn hörend und dabei Lichtimpulse empfangend. Oder mitten im dreidimensionalen Pyronale Feuerwerk hoch über dem Olympiastadion schwebend wie in der bewegenden Arbeit Nightlife von Cyprien Gaillard, alles scheint möglich.

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Der Schliemann-Saal dient als Bühne für Performances, die die Zuschauer aus ihrer Rolle des Zuschauens reißen und zum Teilnehmen vorbereiten. Zur Eröffnung holte Josh Johnson mit seiner Allegory die Besucher mit seiner Tanzimprovisation draussen ab und führte sie wie ein Rattenfänger in den Saal. Anschließend zeigten Maria Francesca Scaroni und Mieko Suzuki mit ihrer Show ON AIR, welche Empfindungen das Betrachten eines Körpers auslösen kann. Diese Ausstellung bietet unterschiedlichste und unerwartete Facetten und ähnelt einem kleinen Festival der Sinne.

Welt ohne Außen. Berlin Kicks.

Welt ohne Außen
Ausstellung, Aufführungen, Workshops

8. Juni bis 5. August 2018

Martin Gropius Bau
Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin

Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Montag von 10:00 bis 19:00 Uhr
DI geschlossen

Eintritt:
10 € / ermäßigt 7 €

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[:de]Welt ohne Außen. Festival der Sinne.[:]
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